23 Feb Zweifeln!
Ich habe jetzt zum dritten mal einen ersten Blogartikel übers Schreiben angefangen. Aber noch nie einen beendet. Oh, the irony. Ich wünschte, ich würde scherzen, schrieb ich bei Facebook. Und es stimmte.
Tobi, ich finde, der Post ist der perfekte Anfang für einen Blogartikel übers Schreiben, schrieb die reizende Kollegin Katinka Buddenkotte zurück. Und Recht hatte sie eigentlich.
Jetzt sitze ich also hier an Versuch vier. Ich möchte gerne über das Schreiben bloggen. Vielleicht eine kleine Reihe starten. Einfach, weil ich es spannend finde. Und vielleicht liest es ja jemand und freut sich über die Tipps. Ich weiß es nicht. Zweifle, ob es vermessen ist, anderen Menschen Ratschläge über das Schreiben anzubieten. Also geht es Anfangs genau darum. Um es uns allen einfacher zu machen, wollte ich eigentlich in irgend einem fancy Café sitzen, einfach für´s Klischee. Aber Schreiben hat so wahnsinnig wenig mit diesem Klischee zu tun. Da ich menschenscheu bin sitze ich nun stattdessen in meiner Küche, da gibt es sowieso den besten Kaffee, und lasse mir von Jan-Phillip Zymny aus der Wohnung gegenüber zuwinken. Reizender Kollege, ebenso wie Frau Buddenkotte.
Wie dem auch sei.
Keinen Anfang zu finden ist wahrscheinlich nur ein Symptom. Ich zweifle. Zweifle, ob das überhaupt wen interessiert, und ob es überhaupt gut wird. Ob es relevant ist, was ich tue und denke und fühle, was ich beantworte, was ich frage. Und das ist super, wenn man schreiben will. Denn es hält einen davon ab, zwanzig Seiten in die Tastatur zu hauen und es noch in der selben Nacht als e-Book bei amazon zu veröffentlichen. Mein Zweifel ist eine Qualitätskontrolle. Was nicht heißen soll, dass das hier gut ist, was ich tippe. Aber es ist zumindest durch eine Kontrolle gegangen. Und Kunst braucht das wohl. Keine Zensur, aber eine ordentliche Portion Zweifel an erster Stelle. Zweifel bremsen, aber sie zwingen einen auch(oder: zumindest mich) in einen kritischen Blick auf das, was man da tut.
Die digitale Welt ist voll unlektorierter Katzenerotik als e-Book.
Vielleicht zweifeln diese Menschen nicht genug. Ich weiß es nicht. Ich jedenfalls habe lernen müssen, dass Zweifel mein bestes Werkzeug sind, wenn es darum geht, etwas zu Papier zu bringen. Und deshalb, mein wichtigster Ratschlag, wenn es um´s Schreiben, oder auch Kunst generell geht:
Zweifelt. Zweifelt hart.
Fragt euch, für wen ihr schreibt. Ganz ehrlich. Wer von sich behauptet, er schriebe nur für sich selbst muss das natürlich alles nicht beachten. Aber dann muss man es eben auch nicht veröffentlichen.
Für die Ehrlichen unter uns: ihr schreibt für ein Publikum. Eines, das euch lesen soll. Klar im Kopf zu haben, dass man für ein Publikum schreibt bedeutet nicht, sich anzubiedern. Gefällig zu sein. Ganz im Gegenteil. Es bedeutet vielmehr, einen klaren Maßstab zu haben, was euer Text können soll. Ob ihr den immer erfüllt – das weiß man ja vorher nie. Aber ihr solltet es zumindest wollen. Maßstäbe sind für mich ein bisschen wie die Sprunghöhe über so eine selbstgebaute Todesfalle aus rotierenden Sägeblättern: lieber zu hoch als zu niedrig. Gott bewahre, bitte nicht zu niedrig.
Und wenn ihr dreißig mal scheitert an den zu hohen Ansprüchen, und ihr wieder alles wegwerft – dann ist das so. Ihr werdet nie schreiben wie Stephen King. Was aber lediglich daran liegt, dass ihr nicht Stephen King seid. Ihr seid ihr.
Aber: überprüft eure Ansprüche auch. Sind sie überhaupt zu erreichen? Die Antwort sollte immer ‚JA‘ lauten. Sonst hat die ganze Sache natürlich keinen Sinn. Nehmt euch keine Vorbilder. Macht euren eigenen Scheiß. Versucht nicht, so spannend, so lustig, so irgendwie zu schreiben wie XY. Ich habe das lange, lange Jahre versucht. Und bin an diesem Anspruch gescheitert.
Schaut einfach auf euer Publikum. Setzt euch dazu. Würdet ihr lesen wollen, was ihr schreibt?
Zweifelt. Ein bisschen. Auch, wenn es anstrengend ist. Es lohnt sich.
Saskia
Posted at 19:31h, 23 FebruarDanke, du hilfst mir gerade enorm bei meiner ersten Hausarbeit im Master. Ich hatte irgendwie nach der Bachelorarbeit das Gefühl, das Schreiben verlernt zu haben, aber dein Blogeintrag hats irgenwie besser gemacht.
Sandra
Posted at 09:19h, 25 FebruarUnd weil es so schön ist, geb ich hier einfach auch noch meinen Senf ab. Ich hoffe auf viele weitere Blogeinträge. Die haben gefehlt. <3
Cora alias Mia Maulwurf
Posted at 13:30h, 25 FebruarOhne Zweifel geht gar nichts. Mit zu viel Zweifel auch nicht. Wie weit kann man am Zweifel zweifeln, ohne zu verzweifeln? Ich habe 2007 ohne viel Zweifel ein Buch veröffentlicht, weil ich es einfach so sehr wollte, und seitdem viel geschrieben, alles verzweifelt und nicht mehr weggeschickt. Jugendlicher Übermut hat auch seine Vorteile. Wenn man vor lauter Zweifel den acht bis vier Job annimmt und nicht mehr schreibt, ist man einen Schritt zu weit. Oder – gibt es nicht eigentlich schon genug gute Bücher? Ich weiß es nicht. Ich glaube, wenn ich aufhören könnte, hätte ich schon lange mit dem Schreiben aufgehört. Aber das ist eine Sucht, gegen die ich nicht ankomme. Wie das zweifeln. Jedenfalls – danke, dass du mir aus der Seele sprichst, und es dann auch veröffentlichst.
Madeline
Posted at 21:03h, 10 AprilHi Tobi,
ich stimme dir absolut zu, Zweifel sind auch für mich sehr wichtig, um bewusster mit dem Inhalt umzugehen, den ich da auf die Menschheit loslasse. Gerade beim Thema Depression ist es oft ein Drahtseilakt, Vorurteile aus der Welt zu schaffen, ohne versehentlich neue entstehen zu lassen. Kürzlich musste ich aber auch wieder die Erfahrung machen, dass es einen Unterschied gibt zwischen „Zweifeln an dem, WAS ich schreibe“ und „Zweifeln daran, DASS ich schreibe“. Oder anders gesagt: Sobald ich beginne, an MIR und meinen Fähigkeiten zu zweifeln, habe ich, zumindest was das Schreiben anbelangt, schon verloren. Und mir persönlich fällt es z.B. häufig noch schwer, eben diese Dinge zu unterscheiden und mich nicht selbst abzuwerten. Das führt in den meisten Fällen zu Resignation und Wut. Deshalb können Zweifel für mich sowohl Fluch als auch Segen sein – je nachdem, an welcher Stelle ich ihnen Raum gebe.
Freue mich auf mehr!
Stina Adler
Posted at 15:22h, 07 MaiDanke für den Arikel! Ich hab ein paar mal her- und hinüberlegt (ja vielleicht könnte man es auch Zweifen nennen, wenn ich so darüber nachsinne… ), ob er (also mein Kommentar jetzt und hier) nötig ist. Aber ja. Weil schön. Also ein echt guter Start für einen Blog – ich bin gespannt auf den nächsten Beitrag – ich schau mal wieder hier vorbei 🙂
Ramonski
Posted at 13:21h, 04 OktoberIch würde es als Selbstkritik bezeichnen. Und dahinter steckt der eigene Anspruch, keinen Mist abliefern zu wollen, mit dem man die Leser zuscheißt. Wer die Qualität seiner Leistung nicht hinterfragt, weil er/ sie sich für so unheimlich unfehlbar hält, hat ein ganz anderes Problem…