Endstation Anfang

Endstation Anfang

Herzlich willkommen am Point of many Returns. Es ist, wie sich unschwer am Namen erkennen lässt, ein etwas seltsamer Punkt. Denn wenn man sich nur lang genug am berüchtigten Point of no Return wähnt – wird daraus, irgendwann fast zwangsweise, ein neuer Anfang. Eine Möglichkeit, zu anderen, verworfenen Möglichkeiten zurückzukehren. Ergibt das Sinn?

Ich bin irgendwie an einem Punkt meiner Karriere angekommen (man glaubt nicht, wie viel Überwindung es fordert, das hier nicht in Anführungszeichen zu setzen) an dem es sich irgendwie richtig anfühlt, Dinge zu ändern. Notwendig gar. In meinem Kopf – aber auch vielleicht nach außen. Veränderung ist aber gar nicht so leicht – und vielleicht auch nicht immer gut. Fragt sich halt nur, für wen. Viel dringendere Frage ist allerdings: wohin soll und will es eigentlich gehen?
Ich stehe also quasi vorm Anfang. Vor mehreren Anfängen, sogar. Und ich kann mich nicht entscheiden. Denn: es gibt ja zwei Arten von „Anfangen“.

Anfangen – und Weitermachen. Oder neu anfangen. Gut, vielleicht gibt es drei Arten.

Aber: der Reihe nach. „Anfangen Classic“.

Das schöne am „Anfangen“ ist ja, dass es FUCKING NIEMAND liest, was du schreist. Wollte hier natürlich „schreibst“ schreiben, aber manchmal liegen in Vertippern die wesentlich treffenderen Formulierungen vergraben. Niemanden interessiert, was du schreist, also. Das ist gut und furchtbar. Weil du dich selbst entdecken und bauen kannst. Du kannst deine Persona als Schriftstellende blindlings querfeldein jagen lassen und es ist quasi dein JOB, dich der Serendipität deines Schaffens zu erfreuen. Gut, es liest halt niemand – aber das ist an dem Punkt noch nicht so wild. Du schreibst ja auch noch nicht. Also, schon, aber nicht so, wie du später schreiben wirst, wenn du weißt, dass jemand liest.

Schreiben als würde niemand mitlesen und so.

Naja. Der Zug ist abgefahren. Aber immerhin (wie es sich für Züge gehört) für mich relativ spät.
WENN allerdings erstmal jemand anfängt, mitzulesen – und mit „jemand“ meine ich natürlich mehr als eine Person, also eigentlich viel eher „die Leute“, die ominösen Kackbratzen – dann wird´s plötzlich schwer, anzufangen. Denn du bist ja schon Schreibende. Das wirst du ja nicht so ohne weiteres NOCHMAL. Also, in der Wahrnehmung besagter „Leute“ zumindest.

Was erstmal nicht schlimm ist.

Bis du halt was anderes tun willst.

Dann kommt nämlich „Anfangen II – Return of the Enter“ – oder, wenn man es nicht so sperrig mag: das Weitermachen.

Weitermachen ist an und für sich was anderes als Fortsetzen.

Weitermachen ist Entwicklung. Weiter eben. Weiter Schriftstellerin sein. Schriftstellerin sein bedeutet sich das Leben erschreiben, oder so. Und dein Leben ist ja nicht eingefroren zu dem Zeitpunkt, als du wurdest, was du bist. Du bist ja älter. Mehr. Anders. Schreiben reflektiert das. Deine LeserInnen irritiert das. Du bist nicht mehr so fluffig leicht wie früher, nicht mehr so unbeschwert wie früher. Nicht mehr DU wie früher. Klar, sie ja auch nicht, aber ich glaube, wir Menschen wollen uns zu Hause fühlen in den Dingen. Erkennen und erkannt werden. Ich schaue gerade zum Beispiel nicht ohne Grund zum fucking 8. mal Community komplett durch, anstatt mich auf etwas Neues™ einzulassen.

Ich mag das Vertraute. Wir alle mögen das. Nur vielleicht in unterschiedlichen Bereichen.

Weitermachen – können die Leute aber meist noch gut wegstecken. Easing into it, und so. So wie man einen Hummer in kaltes Wasser wirft – und nach zwei Stunden hat er genug Selbstbewusstsein aufgebaut und fährt Fahrrad ohne Stützräder.
War natürlich nur ein dummer Witz. So wie ich sie früher ständig in meinen Texten gemacht habe. Irgendwann damit aufgehört, weil ich dachte, dass das den Lesefluss störe und die Leute dann todes-hart abcringen (obwohl es das Wort damals noch nicht gab – aber meine Angst davor war seiner Zeit eben urst voraus).
Was wollte ich sagen? Richtig. Publikum. Dem kann man einiges zutrauen. Sogar mehr, als man selbst meint. Die Leute gehen mit. Oder sie bleiben stehen wo du warst – aber in dem Fall – nun, die eigene Entwicklung lässt sich nicht aufhhalten. Früher oder später wäre es eh passiert.
Man nimmt also die mit, die mitwollen. Die anderen haben ja noch das von früher und müssen sich neue Dinge suchen, die ihnen vertraut scheinen. Das ist okay und schade und okay. Für alle Seiten. Trotzdem ätzend, natürlich. Niemand hat gerne das Gefühl, Menschen vor den Kopf gestoßen zu haben.

Aber das hast du nicht. Du hast nur geschrieben, wie und wer du inzwischen bist. Und das ist, isn´t it ironic, genau das, was die Leute wollten.

Und was willst du?

Nochmal ganz neu anfangen? Anfangen III – für ein paar mal die Eingabetaste doller drücken mehr.

Ich weiß, das mit den Fortsetzungstiteln hat sich schon vor zwei Absätzen auserzählt, aber, wenn wir schon über Neuanfänge reden: Konsis-fucking-tenz!

Anders – aber eben gleich.

Keine Angst haben. Nicht suchen. Nicht fragen, was die Leute brauchen oder wollen könnten. Du hast vorher auch nie gefragt. Du hast getan, was sich richtig anfühlte. Was aus dir rausmusste. War zumindest bei mir so.
Aber das ist eben das Problem beim „nochmal anfangen“. Die Kommunikation zwischen dir und deinem Schreiben ist nicht mehr privat. Jeder sieht dein tölpelhaftes Stolpern durch die Irrwege aus Matsch und Unterholz in denen du verzweifelt die Serendipität zu finden suchst – aber so ist das eben. Wer sucht – findet nichts. Zumindest beim Schreiben gilt das. Du musst finden, ohne zu suchen. Und damit klarkommen, dass dir einfach mal ALLE dabei zusehen. Und vom Wegesrand herüberrufen, dass sie den Fehltritt gerade – dass sie den richtig hart kacke finden. Und langweilig. Dass du offenkundig deinen Weg verloren hast.
Aber das hast du ja nicht.
Du hast nur noch nicht den nächsten gefunden. Was andere für Wege halten – sind für dich nur Kreuzungen.
Life after Bestseller, after Erfolg, after was auch immer du dir als Ziel gesetzt hast – es klingt wie Jammern auf unentschuldbar hohem Niveau, das gefälligst leiser sein sollte. Spoilerwarnung: sollte es nicht.

Du machst nur, was du die ganze Zeit getan hast.
Nur eben diesmal vor Publikum. Das wartet.
Beunruhigend dabei: ohne dich geht da nix.
Beruhigend dabei: ohne dich geht da nix.
Ohne dich geht´s nicht los, ohne dich geht´s nicht weiter.

Ohne DICH geht´s nicht. Ohne das, was DICH DU macht – geht´s nicht.

Also: viel Spaß beim Finden.

1 Comment
  • Bianca
    Posted at 15:46h, 07 November Antworten

    Ich bin dabei

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